Gedanken zum Altarbild von O. Hajek
Das große Tafelbild an der Altarwand, das alle Blicke auf sich zieht, ist schon über zehn Jahre vor der Kirchenrenovierung entstanden. Die Möglichkeit, es in einen kirchlichen „Bild-Raum-Zusammenhang“ zu integrieren, war, wie auch aus dem Grußwort Hajeks hervorgeht, ein wesentliches Motiv dafür, dass der weltberühmte Künstler die Gestaltung dieser „unauffälligen“ Kirche um ein für seine Verhältnisse geringes Honorar übernahm.
Unter dem nicht deutlich religiösen Titel „Dreiheit“ war das Bild 1987 in Florenz und 1989 in Moskau ausgestellt worden. Dennoch dürfen wir davon ausgehen, dass der religiöse Bezug von Anfang an zu dem Bild gehört. Hajek sagte schon 1983 über ein Bild in St. Michael, Trier-Mariahof: „Vater im Gold – Sohn im Rot – Heiliger Geist im Blau [...] Gold als die Farbe des Absoluten, Rot als die Farbe der Liebe in verschiedener Stufung, Blau als die Interpretation des Transzendenten.“ Diese Zuordnung der Farben zu den Personen der Trinität, die es schon im Mittelalter gegeben habe, wiederholte Hajek mündlich während der Arbeiten in Maichingen gegenüber Gemeindemitgliedern. Dass er ein religiöses Bild abwechselnd als Altarbild und zur Dekoration eines profanen Gebäudes benützt hat, kam auch sonst vor. Dazu passt seine Äußerung: „Die Trennung von Sakralem und Profanem habe ich für meine Arbeit nie ziehen wollen. [...] Ich lebe und arbeite im Spannungsverhältnis beider Dimensionen unserer menschlichen Existenz.“
„Dreiheit“ ist ein abstraktes Bild. Das an früheren Sehgewohnheiten geschulte Auge sucht nach Vertrautem und wird nicht fündig. Gewiss fällt auf, dass das Bild von drei Farben beherrscht wird. In diesen drei Farben können wir nach den Andeutungen des Künstlers eine Repräsentation der göttlichen Personen sehen. Nun ist der „dreieinige Gott“ im Bild nicht „real“ darstellbar, er bleibt der unendlich Andere, Unfassbare. Vor diesem Problem standen auch die Künstler früherer Zeiten, die versucht haben, Gott im Bild festzuhalten. Man kann nicht behaupten, eine Verbildlichung wie z. B. beim Epitaph des Bremer Doms mit Gott Vater als König, Jesus am Kreuz und dem Hl. Geist als Taube sei „richtiger“ als die Lösung in Hajeks „Dreiheit“; alle Bilder bleiben Versuche, Annäherungen.
Hajeks Bild „Dreiheit“ bietet sich jedem Betrachter zur eigenen Beobachtung und persönlichen Meditation an. Man wird sicherlich einen Gegensatz erkennen zwischen der von Gold bestimmten Sphäre oben und der weißen Fläche unten, die mit unscharf abgetrennten Flecken von Grau und Rot durchsetzt ist. Man mag darin den Bereich der Ewigkeit und die wechselhafte, leidvoll getrübte irdische Wirklichkeit erkennen. Die grau-weiße Fläche wurde von manchen Betrachtern als das Tuch gedeutet, in das Jesus nach der Abnahme vom Kreuz eingehüllt war, in dem er die Spur seiner Wunden, seines Blutes hinterlassen hat.
Nicht übersehen sollte man, dass das Bild dreidimensional gestaltet ist: Drei Paare von Platten, die sich aus der Grundfläche ein wenig erheben, bilden mit ihren Zwischenräumen ein doppeltes Kreuz aus.
Das eine wird vor der trüb-weißen Trapezformunten sichtbar, das andere vor dem Goldgrund oben. Wird unser irdisches Kreuz in einer anderen Dimension vergoldet? Die Plattenpaare werden nach unten hin schmaler: ein „Pfeil“ aus der transzendenten Höhe nach unten? Eine nur dem aufmerksamen Blick wahrnehmbare Antwort auf den Aufwärtspfeil der weißen Fläche? (Also auf das sehnsüchtige Streben von hienieden nach oben?)
Im oberen Bereich des Gelb und Gold fällt ein schräger roter Streifen auf. Ist das, was unten gelebt und gelitten wird, durch Christus schon oben „aufgehoben“? Und der schwarze Rand oben links, der gar nicht zu dem Goldglanz zu passen scheint: Ist hier die „Nachtseite Gottes“ angedeutet? Diese Gedanken nur als Anregung für den Betrachter, in eigener Auseinandersetzung sich von Hajeks Gemälde „ein Bild zu machen“.
R.Tatzel & G. Vogt